Es gibt 118 chemische Elemente im Periodensystem. 19 davon sind nach realen Persönlichkeiten benannt – darunter Einsteinium (nach Albert Einstein), Curium (nach Marie und Pierre Curie) und Nobelium (nach Alfred Nobel).
Doch bei einem genaueren Blick auf die oft ungewöhnlichen Namen stellt sich die Frage: Gibt es auch Elemente, die nach fiktiven Figuren oder Gestalten der Mythologie benannt wurden? Die Antwort lautet: Ja! Tatsächlich tragen 17 Elemente die Namen von Figuren aus Legenden und Mythen – fast so viele wie nach echten Menschen.
1. Iridium (Iris, griechische Personifikation des Regenbogens)

Unter allen Göttinnen der griechischen Mythologie gilt Iris als eine der schönsten. Kaum verwunderlich – schließlich verkörpert sie den Regenbogen. In Kunst, Literatur und Musik wird sie mit langen blonden Locken, einem leichten Gewand und einem zarten Regenbogen-Schimmer dargestellt. Mitunter schmücken sie kleine Flügel.
Iris war die Tochter des Thaumas und der Elektra und diente als treue Botin der Hera. Eigene Mythen besitzt sie kaum, meist tritt sie nur am Rande auf, wenn sie Botschaften überbringt. Doch ihre Verbindung zur Natur und zum Regenbogen machte sie über die Jahrhunderte hinweg unvergesslich.
1803 entdeckte der englische Chemiker Smithson Tennant (1761–1815) ein neues Element. Wegen der vielfarbigen Verbindungen wählte er den Namen Iridium – nach der Göttin Iris.
Iridium ist eines der seltensten Elemente in der Erdkruste. Seine Ordnungszahl ist 77, sein Symbol lautet Ir.
2. Promethium (Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte)

Prometheus ist eine der bekanntesten Gestalten der griechischen Mythologie – sogar Mary Shelley widmete ihm ihren berühmten Roman Frankenstein, or the Modern Prometheus (1818).
Berühmt wurde er vor allem durch den Raub des Feuers: Er stahl es den Göttern und schenkte es den Menschen. Dafür wurde er grausam bestraft: An einen Felsen gekettet, riss ihm täglich ein Adler (Symboltier des Zeus) die Leber heraus, die sich jede Nacht erneuerte – eine ewige Qual. Später soll Herakles ihn befreit haben.
1945 entdeckten die Wissenschaftler Charles D. Coryell, Jacob A. Marinsky und Lawrence E. Glendenin ein neues Element und benannten es Promethium – ein Symbol sowohl für den Mut als auch für die mögliche Gefahr menschlicher Erfindungskraft.
Promethium trägt das Symbol Pm, die Ordnungszahl 61 und ist stark radioaktiv.
3. Selen (Selene, griechische Göttin des Mondes)

Selen (Symbol Se, Ordnungszahl 34) ist ein Element, das in rotem Pulver, schwarzem Feststoff oder silbrig-metallischer Form vorkommen kann.
Es wurde 1817 von Jöns Jacob Berzelius (1779–1848) entdeckt, der auch Thorium fand. Da Selen ähnliche Eigenschaften wie Tellurium zeigte – ein Element, das nach der Erde benannt wurde – entschied Berzelius, es nach dem Mond zu benennen.
So erhielt es seinen Namen nach Selene, der griechischen Mondgöttin. Ihr Bruder war Helios (Sonne), ihre römische Entsprechung die Göttin Luna.
4. Quecksilber (Merkur, römischer Götterbote)

Quecksilber (Symbol Hg, Ordnungszahl 80) – auch als „flüssiges Silber“ bekannt – ist das einzige Metall, das bei Raumtemperatur flüssig ist.
Seine Entdeckung ist uralt: Schon 1500 v. Chr. war Quecksilber in verschiedenen Kulturen bekannt. Wer es zuerst entdeckte, bleibt unbekannt.
Benannt wurde es nach dem römischen Gott Merkur – dem schnellen Götterboten und Gott des Handels und der Kommunikation. Wie der Gott ist auch das Element für seine Beweglichkeit bekannt.
Das chemische Element, der Gott und auch der sonnennächste Planet teilen denselben Namen. Der griechische Gegenpart zum römischen Merkur ist Hermes.
5. Palladium (Athene, griechische Göttin der Weisheit)

Palladium (Symbol Pd, Ordnungszahl 46) klingt nicht wie „Athene“, ist aber dennoch nach ihr benannt. Der Name geht auf ihr Epitheton Pallas zurück. Die Römer kannten sie als Minerva.
Der Philosoph Platon schrieb über Athene: „Dies ist sie, die den Geist Gottes hat … diejenige, die die göttlichen Dinge kennt.“
1802 entdeckte William Hyde Wollaston (1776–1828) ein neues Element. Er benannte es nach dem Asteroiden Pallas, der kurz zuvor entdeckt worden war – und dieser wiederum trug den Namen der Göttin.
Das Symbol Athenes ist die Eule – Sinnbild für Weisheit und Weitblick.
6. Thorium (Thor, nordischer Donnergott)

Thorium (Symbol Th, Ordnungszahl 90) gehört zu den radioaktiven Elementen, wenn auch mit schwächerer Strahlung als viele andere.
Entdeckt wurde es 1828 von dem schwedischen Chemiker Jöns Jacob Berzelius (1779–1848). Er benannte das Element nach Thor, dem nordischen Gott des Donners und des Krieges.
Thorium ist eines von nur zwei Elementen, die nach nordischer Mythologie benannt sind. Das andere ist Vanadium, nach der Göttin Vanadis – besser bekannt als Freyja, Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit.
7. Uran (Uranos, Personifikation des Himmels)

Uran (Symbol U, Ordnungszahl 92) ist ein silbrig-weißes, leicht radioaktives Element. Seine Härte entspricht in etwa der von Titan, Rhodium, Mangan und Niob.
Entdeckt wurde Uran 1789 vom deutschen Chemiker Martin Heinrich Klaproth (1743–1817). Er benannte es nach dem Planeten Uranus, der erst acht Jahre zuvor (1781) von William Herschel entdeckt worden war.
Der Planet wiederum trägt den Namen des Gottes Uranos, der in der griechischen Mythologie die Personifikation des Himmels ist.
Damit ergibt sich eine Kette: zuerst die Gottheit Uranos, dann der Planet Uranus, und schließlich das chemische Element Uran.
Von Uranos selbst gibt es nur wenige überlieferte Mythen. Die Römer nannten ihn Caelus. Auffällig ist, dass Uranos der einzige griechische Gott ist, nach dem ein Planet benannt wurde – alle übrigen (außer der Erde) tragen römische Namen: Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn und Neptun.
8. Neptunium (Neptun, römischer Gott des Meeres)

Neptunium (Symbol Np, Ordnungszahl 93) ist – wie Uran – indirekt nach einer Gottheit benannt. Es trägt den Namen des Planeten Neptun, der wiederum nach dem römischen Meeresgott benannt wurde.
In Kunst und Literatur erscheint Neptun als bärtiger Mann mit Dreizack, oft in Begleitung von Delfinen oder Seepferdchen – Symbole seiner Macht über das Meer.
Entdeckt wurde Neptunium 1940 offiziell von Edwin McMillan und Philip Abelson.
9. Titan (Titanen, vorolympische Götter)

Titan (Symbol Ti, Ordnungszahl 22) ist das einzige Element auf dieser Liste, das nach einer ganzen Gruppe benannt ist: den Titanen.
In der griechischen Mythologie waren die Titanen die Kinder von Uranos (Himmel) und Gaia (Erde) – sechs Brüder (Okeanos, Koios, Krios, Hyperion, Iapetos, Kronos) und sechs Schwestern (Theia, Rhea, Themis, Mnemosyne, Phoibe, Tethys).
Die Encyclopaedia Britannica beschreibt sie so: „Hesiods Werke und Tage bewahren die Vorstellung von den Titanen als goldenem Geschlecht – glücklich und langlebig. Die Römer entwickelten daraus die Idee eines goldenen Zeitalters des Friedens und Wohlstands.“
Entdeckt wurde Titan 1791 vom Geistlichen und Geologen William Gregor (1761–1817). Den Namen prägte später Martin Heinrich Klaproth.
Titan kommt fast überall vor – in Gestein, Wasser, Böden, Pflanzen, Tieren und auch im menschlichen Körper. Industriell ist es wegen seiner Festigkeit, geringen Dichte und Korrosionsbeständigkeit besonders wertvoll.
10. Tantal (Tantalos, Verräter der Göttergeheimnisse)

Tantal (Symbol Ta, Ordnungszahl 73) wurde 1802 in Schweden vom Chemiker Anders Gustaf Ekeberg (1767–1813) entdeckt. Er benannte es nach Tantalos aus der griechischen Mythologie.
Tantalos ist berüchtigt: Er verriet Geheimnisse der Götter, stahl Ambrosia und Nektar, und versuchte sogar, die Götter mit dem Fleisch seines eigenen Sohnes zu täuschen.
Zur Strafe musste er ewig in einem Wasserbecken stehen, während reife Früchte über ihm hingen. Doch sobald er trinken oder essen wollte, wichen Wasser und Frucht zurück. Daher stammen auch die Wörter „tantalisiert“ oder „tantalizing“.
Ekeberg erklärte den Namen so: „Ich nenne dieses Metall Tantalum, teilweise in Anspielung auf seine Unfähigkeit, in Säuren Flüssigkeit aufzunehmen.“ – also, weil es keine Flüssigkeit absorbiert.
Weitere mythologische Figuren mit Elementnamen
Freyja and the Necklace, James Doyle Penrose, 1890. Quelle: Wikimedia Commons
Neben den hier vorgestellten zehn gibt es noch weitere mythologische Gestalten, nach denen Elemente benannt wurden:
- Helium (nach Helios, griechischer Sonnengott)
- Tellurium (nach der römischen Personifikation der Erde)
- Niobium (nach Niobe, Tochter des Tantalos)
- Vanadium (nach Vanadis/Freyja, nordische Göttin der Liebe)
- Cerium (nach der römischen Göttin Ceres, Schutzgöttin der Landwirtschaft)
- Europium (nach der phönizischen Prinzessin Europa)
- Plutonium (nach Pluton/Hades, Herrscher der Unterwelt)
Chemische Elemente – auch nach Orten benannt

Nicht nur Personen und Götter gaben den Elementen ihre Namen. Viele sind auch nach Orten oder geografischen Besonderheiten benannt:
- Francium (Frankreich)
- Lutetium (Paris, römisch Lutetia)
- Scandium (Skandinavien)
- Strontium (Dorf Strontian in Schottland)
- Rhenium (nach dem Rhein in Europa)
Interessant ist außerdem: Kein einziges Element trägt den Namen seines tatsächlichen Entdeckers. Alle 118 bekannten Elemente haben heute eine offizielle Bezeichnung, Ordnungszahl und ein Symbol – bestätigt von der IUPAC, der International Union of Pure and Applied Chemistry.
Seit März 2025 gilt das Periodensystem als vollständig: alle sieben Reihen sind besetzt, keine unbestätigten Elemente stehen mehr aus.